Wie kann man seine Hemmungen abbauen?

Wer hat sie nicht, die Gedanken daran, was wäre, wenn … Wenn ich mich nur getraut hätte, diese Frau oder diesen Mann anzusprechen, … Ich müsste mit meinem Chef mal über eine Lohnerhöhung sprechen, … Könnte ich doch meine Meinung besser vertreten, … Da hätte ich mich durchsetzen müssen, … Ich könnte meine Nachbarn um Hilfe bitten, … dann würde es mir jetzt z.B. besser gehen.

Wenn wir also über wiederkehrende Chancen nachdenken, bei denen wir anders reagieren wollen, sprechen wir von Hemmungen oder Blockaden. Nachdenken impliziert hier Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem, da unser Gehirn beim Denken nicht wirklich unterscheidet.

Bevor wir über das Abbauen von Hemmungen sprechen, möchte ich noch eine klare Definition voranstellen. Unser ganzes Körpersystem hat ein grundsätzliches Ziel – zu überleben. Wenn Sie diesen Artikel lesen, haben Sie diesen Teil in Ihrem Leben bis heute schon mal erfüllt.

Überleben klingt vielleicht ein wenig heftig in der heutigen Zeit, daher eine leicht verweichlichte Auslegung – unser Körpersystem entscheidet zwischen gefährlich und ungefährlich. Das bedeutet für uns, dass wir gerne an bekannten Abläufen festhalten, weil sie uns den Status „überleben“ sozusagen garantieren, bzw. als ungefährlich deklariert werden. Neues bedeutet für unser System Unsicherheit und Gefahr und damit auch die Möglichkeit, das grundsätzliche Ziel – zu überleben – nicht zu erreichen.

Kurz: Hemmungen haben durchaus eine gesunde Steuerfunktion in unserem Leben.

So gibt es förderliche Hemmungen, die unser Zusammenleben als Menschen erst ermöglichen. Die moralische Hemmung einer anderen Person körperliche Schmerzen zuzufügen, auch wenn unsere Fantasie manchmal etwas anderes möchte, fördert das soziale Miteinander. Ebenso gibt es Hemmungen, die im Bereich unserer Werte vorhanden sind, wenn man z.B. den Wert Pünktlichkeit betrachtet. Daraus folgt für Ihr Verhalten, das Sie versuchen pünktlich zu sein und Hemmungen (schlechte Gewissen) haben, zu spät zu erscheinen. Zudem sind es unsere Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben. Ob wir uns noch daran erinnern, also ob sie uns bewusst sind, oder uns nicht mehr daran erinnern können, also unbewusst sind, ist für unser Verhalten nicht entscheidend.

Wenn ich Hemmungen abbauen sage, dann meine ich Hemmungen, die für unser Leben hinderlich sind, die die eigene Lebensqualität beeinträchtigen oder Gefühle der Unsicherheit und Angst erzeugen. Diese abzubauen, bedeutet an sich zu arbeiten und das eigene Verhalten zu ändern, um die persönliche Entwicklung zu steigern.

Was braucht es also, wenn wir diese Hemmungen abbauen möchten?

Im ersten Schritt beantworten wir uns ein paar einfache Fragen.

  • Stört oder beschäftigt es mich wirklich?
  • Welches Gefühl habe ich in der Situation?
  • Wie lange begleitet es mich schon in meinem Leben?
  • Was stört mich?
  • Wie möchte ich es gerne erleben?

Wichtig – versuchen Sie die Antworten zu schreiben oder zumindest laut zu denken (die Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen und auszusprechen). Dadurch werden uns die Vorgänge bewusst. Für mich bedeutet bewusst sein, seine Gedanken und auch Gefühle in Worte fassen zu können. Alles was ich nicht in Worte fassen kann, bleibt somit unbewusst, ob Gedankengeschnetzeltes oder Gefühl. Auch ist es sehr wichtig sich bewusst zu machen, wie ich es gerne erleben würde, um die von der „Hemmung weg“-Motivation mit einer „so will ich es hinzu“-Motivation zu koppeln.

Kurz: aus „was will ich nicht mehr“ wird ein „was will ich“

Im zweiten Schritt versuchen wir unser „was will ich“ in einzelne Schritte (Ziele) zu teilen.

Ganz nach dem Motto: Wie isst man einen Elefanten? Bissen für Bissen. Das Zerlegen in einzelne Schritte kann durch folgende Fragen unterstütz werden:

  • Wen brauche ich dazu? Möchte ich zum Beispiel mit meinem Chef über eine Lohnerhöhung sprechen, brauche ich zumindest den Chef dazu.
  • Habe ich Handlungskompetenzen? Kann ich es jetzt oder in Zukunft umsetzen? Bleiben wir beim Beispiel vom Chef, dann kann ich einen ersten Schritt jetzt umsetzen, indem ich z.B. einen Gesprächstermin vereinbare. Dieser sollte in naher Zukunft stattfinden.
  • Welches Ziel habe ich? Auch für diese Frage bleiben wir beim Chefbeispiel. Mein Ziel: Meine Hemmung abzubauen mit dem Chef über Lohn zu sprechen.

Im dritten Schritt geht es nun in die Umsetzung.

  • Durch den Termin „zwinge“ ich mich über meinen Schatten zu springen
  • An diesem Termin muss ich festhalten
  • Die Gedanken fokussieren wir auf das „was will ich“.
  • Je länger die Umsetzung dauert – in diesem Fall der Termin mit dem Chef – umso mehr Zeit hat unser Kopf für Stolperfallen, also sich Ausreden einfallen zu lassen oder die gefühlte Unsicherheit zu füttern.

Wichtig: Habe ich den Termin und habe ich mit meinem Chef über eine Lohnerhöhung gesprochen, dann habe ich mein Ziel, meine Hemmung zu überwinden schon erreicht. Ich bin über meinen Schatten gesprungen. Habe ich die Erwartung gleichzeitig auch eine Lohnerhöhung zu bekommen, und es gibt keine, dann habe ich jedoch meine Hemmung verstärkt – „hab ich doch gleich gewusst“. Um positive Erfahrungen zu machen, ist es für diesen dritten Schritt von oberster Bedeutung sich immer sehr bewusst zu machen, was ist mein Ziel und was sind meine Erwartungen.

Kurz: Wir trennen immer Ziel von Erwartung.

Offen für das Ergebnis zu sein, ist eine Grundlage, um Hemmungen abzubauen

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Fällt uns das Ansprechen von fremden Personen schwer, sei es, weil wir diese Person toll finden oder Hilfe anfragen. Ziel ist die Ansprache bzw. die Frage um Hilfe. Ob wir abgewiesen werden oder ein Ja erhalten, ist bereits Ergebnis. Und natürlich haben wir lieber das Ja als das Nein. Aber die eigentliche Überwindung habe ich gemeistert, ich habe die Person angesprochen. An Hemmungen zu arbeiten ist eine Arbeit an sich selbst und diese braucht immer Zeit.

Zeit ist eine weitere Grundlage für den Abbau von Hemmungen

Sie haben sich ja auch bis zum heutigen Moment Zeit gelassen, Ihre Hemmungen zu erlernen und durch Wiederholung zu verfestigen. Daher gibt es gar keinen Grund jetzt hektisch zu werden und zu erwarten, dass es über Nacht anders wird. Und damit wird auch klar – sie brauchen Geduld und viele Wiederholung in Ihrer Umsetzung, damit unser System lernt, dass es nicht gefährlich ist, Hemmungen zu überwinden.

Als dritte Grundlage benötigen Sie Humor – die Kunst über sich selbst zu lachen

Sie werden die genannten Stolperfallen nutzen und das ist auch sehr natürlich und menschlich. Lachen Sie einfach mal darüber, dass Sie wieder gestolpert sind, dann macht der Versuch der Umsetzung beim nächsten Mal viel mehr Spaß.

Fazit:

Dieses kleine Rezept soll Ihnen von Herzen helfen, Ihre Hemmungen abzubauen. Allerdings möchte ich auch dem Begriff Hemmungen nicht die Wichtigkeit verleihen, denn nicht in allen Situationen, in denen wir uns zurückhalten, spielt Hemmung eine Rolle. Am Ende kann es auch nur eine Unsicherheit sein, weil Sie etwas „Neues“ tun oder ausprobieren möchten. Ich glaube fest daran, dass Sie das Talent haben, das Neue zu tun und dieses nur wieder trainieren müssen, weil Sie es einfach bis zu diesem Zeitpunkt nicht gebraucht haben. Insofern geben wir vielen Situationen hin und wieder vielleicht auch nur den falschen Namen.

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